Implantologie

Einteilige versus zweiteilige Implantate

In der Implantologie haben sich vor allem die zweiteiligen Implantate durchgesetzt. Doch aus welchen Gründen? Unsere dreiteilige Serie gibt Aufschluss und stellt die Vor- und Nachteile der Konstruktionsprinzipien vor.



Die anfänglichen Misserfolge in der Implantologie waren vor allem auf die konstruktiven Charakeristika der damaligen Implantate und die Wahl des Implantatmaterials zurückzuführen. Die grundlegenden Untersuchungen von Per-Ingvar Brånemark zur Klärung der Frage der Osseointegration von Titan und deren Langzeitstabilität haben maßgeblich zum Erfolg und zur Weiterentwicklung der dentalen Implantate beigetragen. Die überwiegende Mehrzahl der heute inserierten Implantate besteht deshalb aus Titan. Die Insertion von dentalen Implantaten und deren prothetische Versorgung gehören inzwischen zum zahnmedizinischen Alltag. Analysiert man die Konstruktionsprinzipien, wird deutlich, dass im Wesentlichen zwei Wege eingeschlagen wurden, die in die Entwicklung von zwei- und einteiligen Implantaten gemündet sind.

Die Entwicklung von zweiteiligen Implantaten mit einer Trennlinie zwischen dem intraossären und einem prothetischen Teil wies große Vorteile auf. So konnte eine sichere Osseointegration des Implantats gewährleistet werden, da die Titanbasis während ihrer Einheilphase unter der Schleimhaut frei von mechanischer Belastung und bakterieller Besiedlung war. Chirurgische Maßnahmen zur Veränderung der Struktur und des alveolären Volumens im Bereich des Implantatbetts konnten simultan mit der Implantatinsertion erfolgen. Außerdem ließ sich bei der implantatprothetischen Versorgung das ästhetische Erscheinungsbild individuell optimieren.

Die Verfahrenstechniken wurden darauf abgestimmt. Sie gliedern sich seither in einen primären chirurgischen und einen sekundären prothetischen Teil.

Der chirurgische Part teilt sich in die Implantatinsertion und eine nachfolgende Implantatfreilegung auf. Die anschließende prothetische Versorgung erfolgt durch die Verwendung aufgabenspezifizierter Aufbauelemente. Sie dienen der Gewebekonturierung, der Implantatabformung und der funktionsorientierten Therapie, aber auch als Scanhilfen und vor allem als Basis für die prothetische Versorgung.

Einteilige Implantate werden seit den Anfängen der zahnärztlichen Implantologie verwendet. Sie besitzen keine Trennlinie zwischen dem intraossären und dem prothetischen Implantatbereich. Das Inser‧tions‧verfahren unterscheidet sich dadurch nicht ganz unwesentlich von dem der zweiteiligen Implantate. So wird die Insertionstiefe des einteiligen Implantats mittels der prothetischen Ebene definiert, die ca. 1 mm unter dem Gingivaniveau liegen sollte. Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass nach der Implantatinsertion kein vollständiger Weichgewebeverschluss möglich ist. Da der prothetische Anteil in die Mundhöhle ragt, wird zudem das einteilige Implantat mehr oder weniger sofort belastet. Dies hat dazu geführt, dass einteilige Implantate gerade in Verbindung mit umfangreichen Augmentationen und bei geringer Restknochenhöhe so gut wie gar nicht verwendet wurden. Derzeit überwiegen zweiteilige Implantate. Lediglich bei ausreichender Knochenhöhe und -qualität sowie einem entsprechendem Angebot an alveolärem Weichgewebe setzt man auch einteilige Implantate.

Problemstellung

Der Erfolg einer implantatprothetischen Versorgung ist neben einer Reihe von Faktoren natürlich auch vom Implantat selbst und damit von dessen konstruktiven Charakteristiken, der Verfahrenstechnik und Wirtsspezifität etc. abhängig. Als erfolgsrelevante Parameter gelten:

  • die Oberflächenstruktur,
  • die Lage des Interface,
  • das Platform-Switching,
  • das Belastungsprotokoll,
  • der Phänotyp,
  • der Abstand zwischen Implantaten und natürlichen Zähnen und die Kombination all dieser Parameter.

Da all diese Charakteristika bei der Verwendung einteiliger und zweiteiliger Implantate von Bedeutung sein können, sollten im Rahmen eines Vergleichs dieser zwei unterschiedlichen Implantatgruppen vor allem auch die Reaktionen der alveolären Gewebestrukturen und die Verfahrenstechniken mit analysiert werden.

Das einteilige Implantat

Eine umfassende Analyse evidenzbasierter klinischer Studien macht deutlich, dass einteilige Implantate große Vorteile besitzen. Der Grund: Im Gegensatz zu den zweiteiligen Implantaten,

finden sich keine Gruppenunterschiede,

  • ist die „Biologische Breite“ der von natürlichen Zähnen ähnlich,
  • ist der epitheliale und bindegewebige Anteil nahezu gleich,
  • laufen die Remodellierungsprozesse deutlich schneller ab,
  • bedingt die Implantatinsertion weniger Knochenverlust,
  • gibt es kein Interface und damit keinen Einfluss,
  • wird der interimplantäre Knochen positiv beeinflusst,
  • gibt es keine Mikrospalt-Problematik,
  • sind der Bio- und Phänotyp von geringerem Einfluss.

Diese Ergebnisse sind nicht nur von entscheidender klinischer Relevanz für den implantatprothetischen Langzeiterfolg, sondern auch von großer Bedeutung bei der Patientenberatung. Denn aufgrund des neuen Patientenrechtegesetzes müssen die Patienten bei der Implantatberatung umfassend über diese Unterschiede informiert werden.

Für den Praktiker stellen sie insgesamt die Option dar, das implantatprothetische Ergebnis entscheidend verbessern zu können (Abb. 8–11). Betrachtet man die Erfolgskriterien gerade aus dem Blickwinkel der täglichen Praxis, so wird deutlich, dass aufgrund des Fehlens von Gruppenunterschieden vor allem der prothetische Part ganz entschieden an Bedeutung gewinnt. Dieser Aspekt hat in der Vergangenheit immer dazu geführt, dass den einteiligen Implantaten eine geringere Einsatzmöglichkeit „vorgeworfen“ wurde. Für unterschiedliche Indikationen mussten unterschiedliche Retentionsköpfe gewählt werden, oder es musste der Retentionskopf präpariert werden, was sich intraoral häufig als schwierig erwies.

Einteilige Implantate prothetisch setzen

Dass es auch anders geht, zeigt das Aesthura Immediate Implantat (Abb. 1 bis 3). Denn bei der Entwicklung dieses Implantats wurden diese kritischen Aspekte analysiert und mit einem multifunktionellen, trajektoriellen Retentionskopf und einer definierten prothetischen Ebene eine elegante, praxisorientierte Lösung gefunden (Abb. 4, 5).

Der Retentionskopf zeichnet sich dabei durch folgende Charakteristika aus:

  • Bauhöhe von nur 4,2 mm
  • hohe Belastbarkeit des Retentionskopfs
  • trajektorielle Unterstützung der Prothetikkomponenten
  • optimaler Rotationsschutz
  • hohe Retentionskraft bei einer Retentionsfläche von 50 bzw. 60 mm²
  • zentrales Gewinde im Retentionskopf zur sicheren Adaptation von Hilfsmitteln wie Abdruckkappen, Scanpfosten, etc.
  • präfabrizierte, anatomisch individuell geformte ZrO2-Kappen (Abb. 6)

Als großer Vorteil in der täglichen Praxis erweist sich bei einem einteiligen Implantat vor allem das Insertionsverfahren, da die Insertionstiefe durch die prothetische Ebene definiert wird. Sie sollte wie bei natürlichen Zähnen ca. 1,0 mm unter dem Gingivaniveau liegen (Abb. 7 ). Mögliche Indikationen für das einteilige Aesthura Immediate Implantat sind sowohl der Einzelzahnersatz und brückenprothetische Restaurationen bei der Sofortimplantation, der erfolgreichen Socket Preservation und der alveolären Augmentation als auch teilprothetische Versorgungen in Verbindung mit Sofortimplantationen und abgeschlossenen alveolären Augmentationen. Durch die besondere Gestaltung des Retentionskopfs steht für die vorgeschlagenen Indika‧tionsbereiche ein universell einsetzbarer Formkörper zur Verfügung, so dass es der vielen Variationen des prothetischen Parts nicht mehr bedarf.

Vorbehalte in der Praxis

Traditionell gib es bei Praktikern diverse Vorbehalte gegenüber einteiligen Implantaten. Die Indikationsbreite wird extrem unterschätzt. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegen die Vorteile einteiliger gegenüber zweiteiligen Implantaten. Auch die Entwicklung im Gewebemanagement hat die Argumente, die von Vorteilen für die zweiteiligen Implantate sprechen, längst überholt. Deshalb wäre es angebracht, die Indikationsbreite der einteiligen Implantate einer ständigen neuen Überprüfung zu unterziehen.

Fazit

In diesem Zuge wird ersichtlich, dass z.  B. die Knochenqualität, der kritische Punkt, bei weitem nicht mehr als so limitierend gesehen werden kann wie noch vor einigen Jahren. Denn kleine periimplantäre Defekte lassen sich einfach und vorhersagbar mit periimplantär angelagertem Augmentationsmaterial beheben. Mit dem vor wenigen Jahren vorgestellten TMC-Verfahren (ein biologisches Verfahren des Gewebemanagements) lässt sich außerdem eine Gewebequalität generieren, die als äußerst hochwertig einzustufen ist. Mit dieser Technik kann ein optimales Implantatbett in einem kürzeren zeitlichen Rahmen generiert werden, was den Indikationsbereich der einteiligen Implantate erheblich erweitert. Ein weiterer häufiger Einwand gegen einteilige Implantate gründet in der unmittelbaren Belastung der Implantate nach Insertion. Dieser Einwand ist angesichts der mittlerweile vieljährigen Praxiserfahrungen nicht mehr als wirklich stichhaltig einzustufen. Denn nicht der versehentliche Biss auf einen Hühnchenknochen stellt das Problem dar, sondern z. B. unter anderem das wenig beachtete Zungenverhalten. Der Behandler kann diese Problematik aber leicht mithilfe einer im Tiefziehverfahren hergestellten Schutzfolie beseitigen.

In der Februarausgabe lesen Sie den zweiten Teil unserer Serie, in der vor allem die zweiteiligen Implantate beleuchtet werden.

Dr. Stefan Neumeyer
studierte Zahnmedizin in Würzburg und ist seit 1981 niedergelassen in eigener Praxis in Eschlkam. Seit mehr als 25 Jahren ist er implantologisch tätig und hat eine eigene Implantatlinie entwickelt. Er war Fortbildungsreferent des ZBV Oberpfalz und wissenschaft‧licher Mitarbeiter, Uni München/Regensburg.
Kontakt: praxis@dres-neumeyer.de

Dr. Sabine Hopmann
studierte Zahnmedizin in Köln und ist seit 1996 niedergelassen in der Gemeinschaftspraxis Dr. Hopmann/Dr. Maak in Lemförde. Zu ihren Tätigkeitsschwerpunkten zählen neben der Prothetik und Implantatprothetik insbesondere die minimalinvasive Chirurgie und die Extrusionstherapie.
Kontakt: hopmann@hopmann-maak.de